I. ADVENT

 

Friedrich Nietzsche (2. Hälfte des 19. Jh.): „Gott ist tot!“ Das waren Worte für eine hochintellektuelle, philosophische Welt. Aber diese Worte bekommen immer mehr Aufmerksamkeit, besonders im 21. Jh. Ich lese ziemlich viele Bücher, und es fällt auf, dass immer mehr Theologen und auch andere Autoren darüber reden: In Europa verschwindet Gott aus der Öffentlichkeit, der Glaube an Gott verdunstet. Für viele Menschen in Europa und Österreich existiert Gott nicht mehr. Man behauptet höchstens, dass es so „irgendetwas Höheres“ gibt, aber das spielt keine Rolle mehr im Leben. Gott ist ohne Bedeutung. Das macht sich natürlich u.a. dadurch bemerkbar, dass die großen christlichen Kirchen, sowohl die katholischen als auch die evangelischen, sich leeren. Man braucht Gott nicht. Man kommt gut ohne ihn aus.

 

Die Worte von Jesus im heutigen Evangelium sind sehr aktuell: „Passt auf, dass euch nicht das Verlangen nach Wohlstand und die Gier nach Luxus, auch nicht die Sorgen des Alltags vom Ziel ablenken!“ Menschen stecken sich lieber selbst ihre Lebensziele. Religion und Gott sind dabei nebensächlich. Man macht höchstens noch bei einigen christlichen Festen mit, z.B. Weihnachten. Aber das beruht nur auf nostalgischen Erinnerungen aus der Kindheit. Ein Werbespot, der fast täglich übers Fernsehen in unsere Wohnungen und Familien eindringt, sagt sogar: „Was wäre Weihnachten ohne Kinder?“ Für Erwachsene hat das eh keine Bedeutung mehr.

 

Als Menschen, die ihr Christsein noch bewusst leben wollen, kommen wir hier in der Kirche zusammen, um einen neuen Zeitabschnitt, die Adventzeit, zu beginnen. Gott kommt. Er will auf uns zukommen, uns ansprechen, unserem Leben die Richtung weisen, damit wir uns in diesem Leben und in dieser Welt nicht verirren und orientierungslos dahinleben, nicht mehr wissen, warum und wozu wir leben. „Bleibt also wachsam und hört nicht auf zu beten, damit ihr alles gut übersteht, was auf euch zukommt“, sagt Jesus. Halte Kontakt mit Gott, lass deine Beziehung zu ihm nicht schwächer werden, weil viele andere Dinge dir wichtiger erscheinen. Lass dich nicht verblenden, lass dich nicht ablenken. Nur bei Gott findest du den letzten Halt und die tiefste Geborgenheit, wonach du dich im Grunde genommen immer sehnst.

 

Deswegen feiern wir Advent. Wir machen uns erneut und wachsam auf die Suche nach Gott. Gott, wo bist du? Wie kann ich dich spüren in meinem Leben? Wo kann ich dich erfahren in dieser Welt? Ich will meine Tür für dich aufmachen. Ich will mein Herz für dich aufmachen, damit du in ihm wirken kannst.

 

Deswegen schaue ich auf Jesus. In ihm bist du auf uns zugekommen. In ihm, in seinen Worten, sprichst du uns an. Es sind Worte, die trösten, Mut machen, Hoffnung in mir wecken. Oft beunruhigen sie mich, stacheln mich auf, fordern mich heraus, bringen Bewegung in mein Leben. Sie bringen Leben in meinem Leben. Dann bist du da, dann wirkst du in mir und ich spüre Erfüllung und inneren Frieden.

 

Jesus ist und wirkt also wie ein Licht, das Finsternis, Leere, Depressionen, Hoffnungslosigkeit in mir vertreibt. Das wollen wir sagen, wenn wir in dieser Adventzeit immer wieder Kerzen anzünden und so immer mehr Licht verbreiten. Wir Menschen brauchen Symbole, die das, was wir fühlen ausdrucken und greifbar machen.

 

Wir beginnen die Adventszeit und möchten, dass Gott immer mehr bei uns ankommt. Die Sehnsucht nach Gott soll in uns wachsen. Jede Woche soll in uns ein Stückchen mehr Advent werden.

 

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